26.09.2022

"Wegen der Übertretung..."

 




Galater 3:17-19

"Das aber sage ich: Ein von Gott auf Christus hin zuvor bestätigtes Testament wird durch das 430 Jahre danach entstandene Gesetz nicht ungültig gemacht, sodaß die Verheißung aufgehoben würde. Denn wenn das Erbe durchs Gesetz käme, so käme es nicht mehr durch Verheißung; dem Abraham aber hat es Gott durch Verheißung geschenkt."

Wozu nun das Gesetz? Der Übertretungen wegen wurde es hinzugefügt, bis der Same käme, dem die Verheißung gilt, und es ist durch Engel übermittelt worden in die Hand eines Mittlers.

  • Die Formulierung "wegen der Übertretung" beweist, daß das Gesetz bereits existierte, bevor es hinzugefügt wurde, und daß es hinzugefügt wurde, weil die Übertretung bereits existierte.

  • Dieser Vers beweist, daß es bereits vor dem Berg Sinai ein Gesetz gab.

  • Wir wissen das, weil Paulus auch schrieb: "Das Gesetz bewirkt nämlich Zorn; denn wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung." (Römer 4:15). Da, wo kein Gesetz ist, gibt es auch keine Übertretung, das bedeutet im Umkehrschluß, daß es dort, wo ein Gesetz ist, auch eine Übertretung geben muß. Anders ausgedrückt: Paulus schreibt, daß dort, wo es Übertretungen gab, auch ein Gesetz war, das übertreten wurde!

  • Daher beweist dieser Text, daß es ein Gesetz vor der Gesetzgebung am Berg Sinai gab, denn es gab schon Übertretungen des Gesetzes bevor das Gesetz am Berg Sinai hinzugefügt wurde. Schauen wir uns ein paar Beispiele für Gesetzesübertretungen an:

2. Mose 16:28

"Da sprach der HERR zu Mose: Wie lange weigert Ihr Euch, zu halten Meine Gebote und Gesetze?"

Hier wird deutlich, daß die Gebote, insbesondere der Sabbat, mindestens einen Monat vor der Verkündigung des Gesetzes auf dem Gipfel des Berges Sinai übertreten wurden (vgl. 2. Mose 16:1, 19:1).

2. Petrus 2:8

"Denn dieweil er gerecht war und unter ihnen wohnte, daß er es sehen und hören mußte, quälten sie die gerechte Seele von Tag zu Tage mit ihren ungerechten Werken."

Hier schreibt Petrus, daß die Sodomiter "gesetzlose (gr. anomia) Werke" begingen. Daher können wir sagen, daß die Einwohner von Sodom Übertreter des Gesetzes waren. Tatsächlich heißt es, daß sie "Sünder" waren (1. Mose 13:13), und "durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde" (Römer 3:20). Wenn Mose, der Verfasser vom buch 1. Mose, sagt, daß die Sodomiter Sünder waren, bedeutet das im Wesentlichen, daß sie Übertreter des Gesetzes waren. Auf die Frage, um welches Gesetz es sich handelt, zitiert Paulus das 10. Gebot, während er die Sünde erklärt, um zu verdeutlichen, um welches Gesetz es sich handelt (vgl. Römer 7:7).

1. Mose 39:7-9

"Und es begab sich nach dieser Geschichte, daß seines Herrn Weib ihre Augen auf Joseph warf und sprach: Schlafe bei mir! Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: Siehe, mein Herr nimmt sich keines Dinges an vor mir, was im Hause ist, und alles, was er hat, das hat er unter meine Hände getan, und hat nichts so Großes in dem Hause, das er mir verhohlen habe, außer Dir, indem Du sein Weib bist. Wie sollte ich denn nun ein solch groß Übel tun und wider Gott sündigen?"

Hier verstand der Patriarch Joseph, daß es Sünde war, Ehebruch zu begehen und damit seinen Herrn und seinen Gott zu beleidigen. Mit der Frau von Potiphar zu schlafen, hielt er für eine "Sünde gegen Gott" (Vers 9). Da Sünde die Übertretung des Gesetzes ist (Römer 7:7 und 1. Johannes 3:4), weigerte sich Joseph im Grunde, gegen das Gesetz Gottes zu verstoßen.

1. Mose 4:6-9

"Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst Du? und warum verstellt sich Deine Gebärde? Ist es nicht also? Wenn Du fromm bist, so bist Du angenehm; bist Du aber nicht fromm, so ruht die Sünde vor der Tür, und nach Dir hat sie Verlangen; Du aber herrsche über sie. Da redete Kain mit seinem Bruder Abel. Und es begab sich, da sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist Dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?"

Hier warnt Gott Kain, daß sein ungerechtfertigter Zorn auf seinen Bruder zur Sünde führt (Vers 7). Zorn ohne Grund ist laut Jesus ein Verstoß gegen das 6. Gebot: "Du sollst nicht töten" (Matthäus 5:21+22). So bricht Kain das 6. Gebot in seinem Herzen, bevor er es nach außen hin bricht, indem er seinen Bruder tatsächlich tötet (1. Mose 4:8). Später lügt er darüber (Vers 9).

1. Mose 3:6

"Und das Weib schaute an, daß von dem Baum gut zu essen wäre und daß er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß."

Hier verführt die Schlange Eva dazu, die Frucht zu begehren und dann zu stehlen. Für sie war die Frucht "begehrenswert". Dann "nahm sie von der Frucht und aß...". Man beachte, daß sie sie zuerst begehrte (ḥāmaḏ). Hamad ist dasselbe hebräische Wort, das im zehnten Gebot (2. Mose 20:17) verwendet wird. Damit verstößt Eva gegen zwei Gebote, die Stehlen und Begehren verbieten.

Johannes 8:44

"Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach Eures Vaters Lust wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben."

Dieser Text führt die Übertretung des Gesetzes sogar noch weiter zurück zu Luzifers Rebellion und Fall. Von Anfang an war er ein Lügner und Mörder. Daher sind die Gebote, die diese Taten verbieten, ewige Grundsätze, die schon vor der Erschaffung der Erde verletzt wurden.

Römer 5:12-14

"Derhalben, wie durch einen Menschen die Sünde ist gekommen in die Welt und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben; denn die Sünde war wohl in der Welt bis auf das Gesetz; aber wo kein Gesetz ist, da achtet man der Sünde nicht. Doch herrschte der Tod von Adam an bis auf Moses auch über die, die nicht gesündigt haben mit gleicher Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild des, der zukünftig war."

Diese Texte beweisen, daß überall dort, wo es Sünde und Tod gibt, ein Gesetz übertreten wurde, und da Sünde und Tod seit Adams Sünde herrschen, wurde das Gesetz seit Adams Sünde übertreten (siehe Abschnitt 4 zur Widerlegung eines möglichen Einwandes unter Berufung auf Vers 13).

ABSCHNITT 2

Das Wort "hinzugefügt".

  • Das Wort "hinzugefügt" kann, muß aber nicht immer beweisen, daß das, was hinzugefügt wurde, ganz neu ist.

  • Das griechische Wort für "hinzugefügt" lautet προστίθημι - prostithēmi und kommt im Neuen Testament 18 Mal vor.

  • In Versen wie Johannes 6:17 und Lukas 17:5 kann es eine neue Sache andeuten.

  • Doch in Versen wie Matthäus 6:33, Apostelgeschichte 2:41+47, 5:14, 11:24 werden Dinge und Menschen "hinzugefügt", die bereits vorher existierten.

  • Definition von προστίθημι - prostithēmi: 1. hinstellen. 2. hinzufügen.

  • Es kann also einfach bedeuten, daß man etwas "hinzufügt".

  • Aber auch "hinzufügen" bedeutet nicht unbedingt eine neue Sache. Beispiel: Wenn man Salz zum Essen hinzufügt, bedeutet das nicht, daß das Salz vorher nicht vorhanden war.

ABSCHNITT 3:

Wie andere Teile der Schrift diesen Moment kommentieren.

Es ist hilfreich, nach anderen Stellen zu suchen, die sich mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Gesetzes auf dem Berg Sinai befassen.

ERSTER PARALLELTEXT

Hebräer 12:18+19

"Denn Ihr seid nicht zu dem Berg gekommen, den man anrühren konnte, und zu dem glühenden Feuer, noch zu dem Dunkel, der Finsternis und dem Gewittersturm, noch zu dem Klang der Posaune und dem Donnerschall der Worte, bei dem die Zuhörer baten, daß das Wort (προστίθημι - prostithēmi ) nicht weiter zu ihnen geredet werde.“

  • Da Galater 3:17-19 und Hebräer 12;18+19 beide auf denselben Zeitpunkt verweisen, an dem das Gesetz gegeben wurde, und da beide denselben griechischen Begriff prostithēmi verwenden, können beide verglichen werden.

  • In Hebräer 12:19 wird prostithēmi mit "reden" übersetzt.

  • In Anbetracht der Tatsache, daß das Gesetz schon vorher übertreten wurde, kann davon ausgegangen werden, daß es 430 Jahre nach den Verheißungen an Abraham auf dem Berg Sinai durch reden verkündet wurde.

ZWEITER PARALLELTEXT

Römer 5:20

"Das Gesetz aber ist daneben hereingekommen, damit das Maß der Übertretung voll würde. Wo aber das Maß der Sünde voll geworden ist, da ist die Gnade überströmend geworden,"

  • Dieser Text spricht auch, wenn auch kurz, über den Moment, in dem das Gesetz hineingekommen ist. Es "trat ein". Wir können diesen Text also auch mit Galater 3:17-19 vergleichen.

  • Das griechische Wort παρεισέρχομαι "pareiserchomai" bedeutet "eintreten". Es bedeutet: Erstens, heimlich oder heimtückisch eindringen, sich einschleichen oder hineinstehlen. Zweitens, eintreten, nebenbei hineinkommen.

  • In Galater 3:19 heißt es, daß das Gesetz "wegen der Übertretung" hinzugefügt wurde, aber Römer 5:20 fügt einen anderen Grund hinzu, damit "das Maß der Übertretung voll würde" (griechisch: "überhandnehmen", "zunehmen").

  • Das Vergehen war die Sünde Adams, die eine Übertretung war, die zu vielen Vergehen oder Sündern führte (vgl. Verse 14-19).

  • Deshalb kam das Gesetz hinzu oder wurde hinzugefügt oder wurde gesprochen, "damit das Maß der Übertretung voll würde." Um die Sünde so abscheulich wie möglich aussehen zu lassen, oder um die Ungeheuerlichkeit der Sünde und ihrer Folgen zu zeigen, verkündigte Gott vom Berg aus alle Seine Grundsätze oder Gesetze in Form der Zehn Gebote, damit alle sehen, wie tief sie gefallen sind, und damit alle das noch größere Geschenk der Gnade Gottes erhalten, um sie von ihren Übertretungen zu erlösen.

  • Paulus schrieb: "Ich hätte die Sünde nicht erkannt, außer durch das Gesetz; denn von der Begierde hätte ich nichts gewußt, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: Du sollst nicht begehren!"(Römer 7:7).

  • Deshalb wurden die Zehn Gebote gegeben, um allen zu offenbaren, daß sie gebrochen wurden, damit alle ihre Sünde erkennen und Buße tun können.

DRITTER PARALLELTEXT

Nehemia 9:13+14

  • In diesen Versen geht es auch um den Moment, in dem Gott vom Berg Sinai aus sprach, so daß auch hier ein Vergleich möglich ist.

  • In Vers 13 heißt es, daß Gott vom Himmel sprach und Verordnungen, Gesetze, Satzungen und Gebote gab.

  • Der Sabbat, der Teil des Dekalogs ist, wurde "verkündet" - ein Ausdruck, der zeigt, daß er schon vorher existierte. Zum Beispiel: In Hesekiel 20:5 wurde Gott den Israeliten "verkündet", und doch hat Gott immer existiert. Die Formulierung "verkündet" beweist also nicht, daß etwas zu existieren begann, sondern daß es schon vorher existierte, aber erst offenbart werden mußte.

  • Daher hat der Sabbat des vierten Gebots schon immer existiert (vgl. 1. Mose 2:2+3 und Markus 2:27).

  • Aus Nehemia 9:13+14 können wir entnehmen, daß das Gesetz zwar 430 Jahre nach der Verheißung an Abraham am Berg Sinai "verkündet" wurde, daß es aber bereits existierte. Es wurde lediglich später "offenbart" oder "verkündet".

ABSCHNITT 4:

Möglicher Einwand:

Römer 5:13 beweist, daß das Gesetzt vorher nicht existierte!

Der erste Satz dieses Verses lautet: "Denn schon vor dem Gesetz war die Sünde in der Welt." Das Argument ist also, daß die Sünde vor dem Gesetz existierte und somit die Sünde zu einem früheren Zeitpunkt begann, während das Gesetz zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt wurde.


  • Wir wissen, daß die Sünde in der Welt war, bevor das Gesetz "gegeben" wurde. Wenn wir davon ausgehen, daß "gegeben" eine korrekte Übersetzung ist, bedeutet "geben" nicht notwendigerweise, daß es vorher nicht existierte. In Johannes 7:22 sagt Jesus zum Beispiel, daß die Beschneidung den Juden von Mose gegeben wurde, doch im selben Text heißt es: "Nicht von Mose, sondern von den Vätern." Etwas kann also "gegeben" werden und doch schon vorher existieren.

  • Das Wort "gegeben" muß im Zusammenhang und mit sorgfältiger Eisegese * verstanden werden. Der zweite Satz von Vers 13 lautet: "wo aber kein Gesetz ist, da wird die Sünde nicht in Rechnung gestellt". Zurechnen bedeutet "anrechnen, verrechnen, zurechnen...".

  • Wurde den Menschen die Sünde zugerechnet, bevor das Gesetz auf dem Berg Sinai gesprochen wurde? Ja, siehe Abschnitt 1 oben. Es muß also ein Gesetz gegeben haben, damit die Sünde den Menschen zugerechnet werden konnte.

  • Was bedeutet es dann, wenn es im ersten Satz heißt: "denn schon vor dem Gesetz war die Sünde in der Welt"? Ganz einfach, daß das Gesetz, obwohl es bereits existierte, ist es "daneben hereingekommen, damit das Maß der Übertretung voll würde." (Vers 20).

  • Die Sünde gab es also schon immer, und das Gesetz auch, damit die Sünde zugerechnet werden konnte, aber das Gesetz wurde in einem besonderen Sinn vom Berg Sinai aus gegeben, um die Sünde so schrecklich aussehen zu lassen, wie sie tatsächlich ist, damit die Sünder ihre Erlösungsbedürftigkeit und ihre Abhängigkeit von Gott erkennen und sich bekehren können (vgl. 1. Timotheus 1:8-11).

SCHLUSSFOLGERUNG

Der Kritiker fragt: "Wann wurde das Gesetz eingeführt?" und zitiert Galater 3:17, um später zu schreiben: "Das Gesetz begann NACH der Verheißung an Abraham..." Aber derselbe Text sagt, daß die Übertretung bereits stattfand. In Römer 4:15 wird erklärt, daß dort, wo es Übertretungen gibt, auch Gesetze sind, und es werden verschiedene Beispiele angeführt. Schließlich haben wir gelernt, daß Ausdrücke wie "hinzugefügt", "gesprochen", "eingetreten" oder "gegeben" beweisen, daß das Gesetz auf dem Berg Sinai erschien, wenn auch in einem besonderen Sinn; zu dem Zweck, die Sünde besonders schlimm aussehen zu lassen, damit die Sünder ihre Notwendigkeit erkennen und durch die überreichlich vorhandene Gnade umkehren. So wirken Gesetz und Gnade zusammen zur Rettung der Seelen, wobei ersteres die Sünde aufdeckt (Römer 7:7, 1. Johannes 3:4, 1. Timotheus 8+9), letzteres von der Sünde errettet (Epheser 2:8).


© Übersetzung - Alex Janzen - September 2022

*

Eisegese bezeichnet eine Textauslegung, bei der etwas in den Text hineininterpretiert wird, das nicht darin steht oder gemeint war. Im Deutschen spricht man auch vom "Hineinlesen", "Hineindeuten" oder "Hineininterpretieren". Wikipedia

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